Dienstag, 26. Juni 2012

Es war einmal ...

.... eine junge mittelalterbegeisterte Frau, die sich so in das Thema Handarbeit vertiefte, dass sie beschloss, ein Kleid einmal ganz von Anfang an zu produzieren. Also legte sie los und fragte erst mal herum, wo sie denn Schafwolle bekommen könne. Und bekam auch sofort Hilfe. Sie kaufte für einen seeeehr hohen Preis völlig verdreckte Wolle, in der viele Gegenstände zu finden waren, die eigentlich nicht in Schafwolle gehören, aber egal, sie wusch und wusch und wusch fleissig.

Und machte sich zu Hause nicht gerade Freunde damit. Es stank nämlich wie die Hölle, und das über Wochen. Katerchen setzte dann noch seine Duftmarke hinzu, frei nach dem Motto "Stinkt ja eh schon nach Kloake".

Der Haken an der Sache war dann nur: Die junge war ja nicht 24 Stunden am Tag zu Hause, sondern hatte noch einen Job, fuhr auf Märkte, fing wieder an zu stricken, knüpfte Kontakte und pflegte diese und hatte ja auch noch die Katzen. Von daher geriet die Wolle in Vergessenheit bzw. war eine Last im Hinterkopf.

Eines Tages lernte die junge Frau dann eine andere Frau kennen, deren Nachbar Schafe hielt. Aus einer eigentlich im Scherz gemeinten Nachfrage nach der Wolle wurde dann eine plötzliche Vereinbarung der "Freundin" mit dem Nachbar, die Wolle gegen gestrickte Socken zu tauschen. Die Begeisterung der jungen Frau war zwar zu Anfang ganz groß, entwickelte sich dann aber auch zu einer Last im Hinterkopf, zusätzlich zu ständig kippelnden Job, Katzen, Haushalt, Garten und den anderen Hobbies.

Nun, das Ende ist jetzt nach nahezu fünf Jahren schnell erzählt. Die Wolle ist den Weg allen Seins gegangen, nachdem ich beim Kardieren schon fast eine Staublunge bekommen habe. Sowas muss ich mir dann nicht mehr antun. Begeisterung für Mittelalter ist das Eine, Fanatismus das andere. Und den habe ich vor langer Zeit bereits abgelegt. Das Hobby soll Spass machen, und nicht in Stress ausarten. Auch Vereinbarungen von "Freunden" über meinen Kopf hinweg nehme ich nicht mehr hin.

Es war befreiend, die Wolle auszusortieren und mit Schmackes in den Container auf der Müllkippe zu werfen, das habe ich mir gerne die Gebühren kosten lassen. Die Blicke links und rechts von mir waren unbezahlbar, als ich mit den Worten "Rest in pieces" die Säcke in den Container warf. Die Last ist weg, hier ist wieder Platz und Luft zum Atmen und Planen für neue Projekte, die realisierbarer sind. Lieber kaufe ich gewaschene und gekämmte Wolle bei der Wollfabrik in meiner Nähe, als mich noch mal selbst an den Waschzuber zu stellen. Respekt an denjenigen, der es wirklich durchzieht, aber für mich und mein begrenztes Zeitfenster - mittlerweile ja auch mit Studium noch gefüllt - ist das nix.

Welches Fazit ziehe ich daraus? Menschen früherer Jahrhunderte hatten wesentlich mehr Zeit für die Produktion ihrer Kleidung von der Pike auf, da sie nicht kilometerweit zu ihren Arbeitsstätten pilgern mussten und nicht mit Freizeitstress beschäftigt waren. Heutzutage schafft das wohl nur noch jemand, der wirklich nichts anderes zu tun hat bzw. nichts anderes tut. Für berufstätige Studenten ist das nix.

Anyway, ich bin ne Menge Ballast losgeworden und kann mich wieder erleichtert anderen Dingen widmen. Ob der Blog jetzt auch umzieht, weiss ich noch nicht. Erst mal geht es wieder nach Schottland in den Urlaub, danach treffe ich eine Entscheidung.

Den Hämischen unter uns sei dann noch gesagt, dass sie es erst einmal selbst versuchen sollten, bevor sie über mich lachen.

In diesem Sinne. Tante Rapante.